„Lasst euch nicht vorschreiben, wen ihr zu lieben und zu hassen habt.“
Mit diesem eindringlichen und brandaktuellen Appell beendet Frau Knobloch das Online-Zeitzeugengespräch anlässlich des Internationalen Gedenktages an die Opfer des Holocaust und des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte zu einer einstündigen Veranstaltung eingeladen und über 4.000 Schülerinnen und Schüler schalteten sich zu, um eine der letzten Zeitzeuginnen der Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung durch das NS-Regime zu erleben.
Entlang der Fragen der Jugendlichen, die auch vom Julius-Echter-Gymnasium eingereicht wurden, berichtet Charlotte Knobloch eindrucksvoll und authentisch von der persönlichen Ausgrenzung als Kind und dem Gefühl, obwohl man doch nicht anders sei, anders behandelt zu werden. Die 92jährige erzählt, als sei es gestern gewesen, von der Begegnung mit den Ledermänteln der Gestapo und dem staatlichen Druck, der ihre Mutter dazu gebracht habe, die Familie zu verlassen. Aber sie berichtet auch von hilfsbereiten Menschen, die mit dem Einsatz ihres eigenen guten Rufs und Lebens, zu ihren Rettern geworden seien: eine katholische Bauernfamilie in Mittelfranken, bei der sie als uneheliche Tochter unter falschem Namen gelebt habe, und dem örtlichen Pfarrer, der dabei half, das jüdische Mädchen versteckt zu halten.
Auch mit dem Kriegsende bleibt die Unsicherheit, was mit ihr geschieht. „Ich wollte nicht zurück nach München, zu den Menschen, die uns so schlecht behandelt haben“, erinnert sich Charlotte Knobloch. Und auch daran, wie freundlich die Menschen plötzlich waren, um sich selbst „reinzuwaschen“. Klar teilt sie die Gesellschaft in „die Überlebenden“ und „die Täter“ und berichtet von einer nur langsamen juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung, die vor allem medial angestoßen worden sei. In ihrem Leben blieben die Koffer für Jahrzehnte gepackt, um Deutschland zu verlassen.
Und heute? Heute blickt Charlotte Knobloch besorgt auf den wieder zunehmenden Antisemitismus und die wachsende Ausgrenzung in Deutschland. Das Wort „Jude“ empfinde sie bis heute als Schimpfwort. Gegen die um sich greifende Menschenverachtung setzt sie ihre Kraft und ihr Engagement und verdeutlicht die Bedeutung des Erinnerns für die deutsche Demokratie. Mit Nachdruck bittet sie ihre jungen Zuhörerinnen und Zuhörer, sich aktiv für Demokratie einzusetzen. Nicht die Frage, wie man sich damals verhalten hätte, sei entscheidend, sondern die Frage, wie man sich heute verhalte.
Auch nach dem Ende des Livestreams kann man in den Klassenzimmern der Elftklässler am JEG eine Stecknadel fallen hören. Charlotte Knoblochs Worte hallen nach. Ihre persönliche, authentische Schilderung verleiht dem Wissen um die Vergangenheit Nachdruck und macht Mut, für die eigenen Werte einzutreten.
Pfefferer