„Man darf die Menschen nicht allein lassen.“
Oberstufenschüler*innen des Julius-Echter-Gymnasiums diskutieren mit Klinikseelsorger Christian Hohm über das Thema assistierter Suizid.
Am 9. Februar lud die Fachschaft Katholische Religionslehre des Julius-Echter-Gymnasiums Elsenfeld im Rahmen des 50jährigen Schuljubiläums zu einer fiktiven Sitzung des Deutschen Ethikrats. Diskutiert wurde über die Vertretbarkeit der Beihilfe zur Selbsttötung anhand des Films „GOTT“ von Ferdinand von Schirach. Dazu schlüpften die Schülerinnen und Schüler der Q12 Kurse Katholische Religion in die Rolle von Ethikratsmitgliedern. Als Gast nahm der Würzburger Klinikseelsorger und ehemalige Schüler des JEG, Christian Hohm, an der Podiumsdiskussion teil. Er gewährte den Schülerinnen und Schülern wertvolle Einblicke in seinen Alltag als Klinikseelsorger und ließ sie an seinen Erfahrungen und Gedanken zum Thema assistierter Suizid teilhaben.
Anhand des fiktiven Falls von Richard Gärtner, eines älteren, gesunden Herrn, dessen Wunsch es ist, mithilfe eines Medikaments zu sterben, da er seit dem Tod seiner Frau keinen Sinn im Weiterleben sieht, wurde die Thematik kontrovers diskutiert. Vor Beginn der Diskussion zeigte eine Schülerin die aktuelle Rechtslage bezüglich der Beihilfe zur Selbsttötung, dem sogenannten assistierten Suizid, in Deutschland auf.
In einer Eingangsabstimmung votierte eine klare Mehrheit des fiktiven Ethikrats dafür, dass Herr Gärtner das Medikament erhalten soll. Daraufhin wurde die Position eines Mediziners und des theologischen Sachverständigen aus dem Film gehört, die sich beide gegen assistierten Suizid aussprachen. Anschließend diskutierten die ausgewählten Vertreter des Ethikrats auf dem Podium mit Klinikseelsorger Christian Hohm. Die Ethikratsmitglieder, die keinen Platz auf dem Podium fanden, nahmen mithilfe eines Chats an der Diskussion teil. Es entspann sich ein intellektuell hochwertiges und persönlich bereicherndes Gespräch zwischen allen Beteiligten, wie Dr. Verena Mätzke und Dr. Bertram Söller, welche beide ebenfalls in der Klinikseelsorge tätig sind, anerkennend feststellten. Die Teilnehmer kamen immer wieder darauf zu sprechen, dass assistierter Suizid nicht leichtfertig als „schnelle Lösung“ gesehen werden dürfe. Vielmehr müsste in der Gesellschaft ein Umdenken stattfinden, so dass Menschen wie Herr Gärtner überhaupt nicht in die Situation geraten, über assistierten Suizid nachzudenken. „Wo ist Herrn Gärtners Familie? Warum fühlt er sich so einsam, dass er nur noch diesen Ausweg sieht?“, fragte etwa ein Ethikratsmitglied. „Man darf die Menschen nicht allein lassen“, gab Hohm zu bedenken. Aufgabe der Seelsorge sei es, den Menschen zuzuhören und ihnen in ihren Nöten beizustehen ohne sie in eine Richtung drängen zu wollen. „Es geht immer um den einzelnen Menschen, nicht um eine Position der Kirche, des Seelsorgers oder einer Sterbehilfeorganisation“, fügte er an. Die reflektierte Entscheidung des Individuums muss respektiert werden.
Abschließend stimmten die Ethikratsmitglieder erneut ab, wobei sich das Eingangsbild bestätigte. Mit großer Mehrheit sprach sich der Ethikrat für die Gabe des Medikaments aus.
Vera Müller