Nach dem Abitur ins Handwerk? Na klar!
Diese Zahl erstaunt dann doch: In Deutschland bricht jede/r Dritte ein angefangenes Studium wieder ab, wenn man merkt, dass eine akademische Ausbildung doch nichts für einen ist. Oftmals stehen die jungen Menschen dann ohne Orientierung da, und der Ärger über die verlorene Zeit ist groß.
Um den Horizont der künftigen Abiturienten am Julius-Echter-Gymnasium Elsenfeld zu erweitern, wenn es um die Berufswahl geht, kam am 11.05.2023 Frau Claudia Glas von der Handwerkskammer Aschaffenburg an die Schule und hielt einen Vortrag darüber, welche Chancen das Handwerk den jungen Menschen bietet.
Wer glaubte, sich 90 Minuten lang berieseln zu lassen, wurde bitter enttäuscht. In ihrem kurzweiligen und sehr informativen Vortrag verstand es Frau Glas, alle Schülerinnen und Schüler einzubinden und aus ihnen herauszulocken, was sie schon über das Handwerk wissen. Die Breite dessen, was möglich ist, war vielen so nicht bekannt. Vor allem das Duale Studium, das es den Menschen ermöglicht, anders als im Studium schon in der Ausbildung intensiven Praxisbezug zu erfahren und dafür auch gleich einen Lohn zu erhalten, sei bei den jungen Erwachsenen eine beliebte Art des Berufseinstieges.
Frau Glas räumte auch mit dem Vorurteil auf, dass das Handwerk nur etwas für Mittelschüler sei. In vielen Berufen sei mindestens ein Realschulabschluss erforderlich, und wer mit einem Abitur in der Tasche eine Meisterausbildung beginnt, könne diese auch um ein Jahr verkürzen. Der Lehrstellen-Radar, eine Onlineplattform und App für Praktika und Ausbildung, biete die Möglichkeit, einfach und schnell Lehrstellen in der Region zu finden, die zu einem passen.
Mit Beispielen und Anekdoten aus ihrem Alltag als Ansprechpartnerin im Team „Passgenaue Besetzung“ der IHK gestaltete Frau Glas ihren Vortrag zudem sehr anschaulich. So erzählte sie von einem Schüler, der eigentlich nur „chillen“ wollte, aber als Interesse den Weltraum angab. Aufgrund ihrer Beratung ist dieser nun glücklich in einem Praktikum bei einer Aschaffenburger Firma, die Teile für die NASA entwickelt. Ein anderer Aschaffenburger Gymnasiast nutzte die Wartezeit auf eine Pilotenausbildung dafür, eine Lehre zum Elektriker zu machen. Mit 28 erwarb dieser dann seinen Meister, machte sich selbstständig und beschäftigt nun sieben Angestellte und Azubis. Er könne sich „vor Aufträgen und Geld nicht retten“. Zudem entwickle er sehr clevere Dinge in Sachen Smart-Home und Automatisierung, was heutzutage in jedem modernen Gebäude Standard ist.
Die Frage, was denn wäre, wenn es all die Frauen und Männer in den Berufen Raumausstatter, Schreiner, Anlagenmechatroniker, Kaufleute, technische Systemplaner, Fliesenleger, Instrumentenbauer, Konditoren, Orthopädietechnikmechatroniker, Fotografen, Karosseriebauer, Goldschmiede und vielen mehr nicht mehr gäbe, beantwortete ein Film auf humoristische und zugleich plastische Art und Weise: Alles, was wir in unserer modernen Welt als alltäglich ansehen, würde zu Staub zerfallen, und wir würden leben wie Steinzeitmenschen.
All diese Impulse kamen bei unseren Schülerinnen und Schülern gut an und stimmten nachdenklich. Was sie aus der Veranstaltung mitnehmen konnten, war auf jeden Fall die Erkenntnis, dass es viele Wege gibt, wie man im Beruf glücklich und erfolgreich sein kann. Das Studium ist nur einer davon.
Benjamin Götzinger