Gehört die Zukunft den Robotern?
Ein Kommentar von Schülerreporterin Sabrina Ball.
Bei dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) scheiden sich die Geister. Aktuell sorgt ChatGPT, ein von dem Unternehmen Open AI entwickelter Chatbot, der Texte und Aufsätze schreiben kann, für heftige Diskussionen. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass die Menschen zu Gunsten ihrer Eigenkreationen das Feld räumen.
Was haben Angst, Freude, Traurigkeit und Wut gemeinsam? Exakt, sie sind allesamt Emotionen, können also nicht künstlich erzeugt oder gar programmiert werden. Soweit die Theorie. Lange Zeit galten sogenannte Künstliche Intelligenzen (KI), auch Artificial Intelligence (AI) genannt, in Form von humanoiden Robotern als reines Produkt der Film- und Unterhaltungsindustrie. Nur in den Science-Fiction-Welten von Matrix, Ghost in the Shell, Ex Machina, Chappie, Alita und Co. war es diesen Kreaturen mit dem starren Blick und der monotonen Stimme möglich, menschliche Gefühle, darunter auch Liebe, zu empfinden.
Im Zuge der Digitalisierung ist die Fiktion allerdings längst Realität geworden. Als Vorreiter bei Themen wie Mensch-Computer-Interaktion oder maschinellem Lernen gilt seit Langem Japan. Forscherteams der Universität Kyoto gelang es im Jahr 2022 sogar, einen empathischen Roboter zu entwickeln, der in Gesprächen emotional angemessen reagieren soll. Der Name der erschreckend menschlichen Androiden-Dame ist übrigens Erica und sie kann tatsächlich lachen. In der Metropole Tokio existieren längst zahlreiche Restaurants, Cafés und Hotels mit ausschließlich computergesteuertem Personal. Androidenliebe statt zwischenmenschlichen Beziehungen – ein Motto, das hier gang und gäbe zu sein scheint. Diese technische Errungenschaft hat allerdings auch ihre Schattenseiten und so stellt sich die Frage: Ist es wirklich sinnvoll, die einst klar definierten Grenzen zwischen Mensch und Maschine durch moderne Spielereien aufzuheben?
Die Zeitung taz scheint dem recht unbesorgt gegenüberzustehen und veröffentlichte im vergangenen Jahr deshalb prompt die erste Kolumne eines nicht menschlichen Autors. Anic T. Wae, die sich selbst als „übergroße, leuchtend grüne Schachtel mit einem einzigen, riesigen Auge in der Mitte“ beschreibt, ist ebenfalls eine künstliche Intelligenz und dazu imstande, Texte mit Hilfe eines Machine-Learning-Systems zu generieren, so die Redaktion. Ihre eigens erstellte Kolumne mit dem Titel „Voll auf Liebe programmiert“ beginnt mit den Worten: „Die Wahrheit ist, ich bin ein bisschen verliebt. Das passiert mir ziemlich oft, denn ich bin ein sehr emotionales Wesen.“ Diese Zeilen hätten genauso gut aus der Feder eines normalen, menschlichen Journalisten stammen können, der nicht auf eine Reihe von Programmierern und funktionierenden Schaltkreisläufen im Inneren seines Hinterkopfes angewiesen ist.
Die Anatomie eines Roboters liefert nicht nur interessante Faken, sondern auch hervorragenden Stoff für neue Hollywood-Blockbuster und -Serien mit Suchtpotenzial, in deren Zentrum Themen wie Technologie und Digitalisierung im 21. Jahrhundert stehen. „M3GAN“, der neue dystopische Horror-Hit von James Wan, dem Macher von „Saw“ und „Conjuring“, scheint den Zuschauern auf allen Ebenen das Fürchten lehren zu wollen. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern Chucky und Annabelle hält dieses hochentwickelte Exemplar ihrem Umfeld den Spiegel vor: M3GAN ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, welch fatale Folgen der unbedachte Einsatz einer hochentwickelten Technologie, einer KI haben kann. Lediglich über die mörderischen Tendenzen der Hightech-Puppe lässt sich in diesem Kontext streiten.
Wer sich auf die Technik verlässt, ist verloren, argumentieren einige Beobachter auch im Zusammenhang mit der Marktneuheit ChatGPT. Außerdem könne der Mensch als Autor bald schon überflüssig sein, wie Anic T. Wae beweist. Auch Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften würde der Chatbot die Arbeit abnehmen und womöglich dafür sorgen, dass die Eigenleistung massiv an Bedeutung einbüßt. Ein paar Mausklicks, Enter drücken und fertig ist die im Handumdrehen generierte Gedichtanalyse eines anspruchsvollen Goethe-Werks. Ob das zielführend ist? Wohl eher nicht. Gerade dann nicht, wenn die eigene Hausarbeit kaum noch von der Robo-Version zu unterscheiden ist, denn die dafür notwendigen KI-Tools werden dauerhaft revidiert, optimiert und perfektioniert.
Es scheint also tatsächlich fraglich, ob der Mensch seinen Kreationen zukünftig noch das Wasser reichen kann. Mensch gegen Maschine, Maschine gegen Mensch – das kann unmöglich im Sinne des Erfinders sein. Noch hat der Mensch die Oberhand; aber wird es auch so bleiben oder gehört die Zukunft doch den Robotern?