„American politics today is more about identity than policy.”
Dr. Markus Hünemörder über „USA Update 2022: A House Divided“
Die USA werden nicht selten als Nation, als geeintes Land porträtiert, das von Zusammenhalt und gleichen Wertehaltungen geprägt ist. Aktuelle Debatten zu den Themen abortion, gun control, racial justice, LGBTQ rights, foreign policy und US economy lassen allerdings Zweifel an der Echtheit und Authentizität dieses Selbstbilds aufkommen. Is America a land divided? Dieser Frage nahm sich Dr. Markus Hünemörder an, der am 28.11.2022 in der Aula des Julius-Echter-Gymnasiums Elsenfeld vor den Jahrgangsstufen 11 und 12 über das Thema „USA Update 2022: A House Divided“ referierte.
2021 und 2022 bilden zwei bedeutsame Jahre in der US-amerikanischen Geschichte: Erst der berüchtigte Sturm des Capitols in Washington nach den von Ex-Präsident Donald Trump angefochtenen Wahlen und dann die diesjährigen Midterm Elections, deren unerwarteter Ausgang ebenfalls allgemeines Aufsehen erregte. Die in Amerika vorherrschende social division und political polarization ist hauptsächlich dem andauernden Wettstreit zwischen den beiden dominierenden Parteien geschuldet: Die Republican Party, die vorzugsweise die ruralen Gebiete Amerikas adressiert und sich auf traditionelle und religiöse Werte beruft sowie die Democrats, die sich als moderne, multiethnische und säkulare Partei versteht, stehen sich seit vielen Jahren in einem Wertekonflikt gegenüber. Die Streitfrage hierbei lautet: Who defines the ´real America´? Durch die aufsehenerregenden Präsidentschaftswahlen 2020 intensivierte sich das ohnehin vorbelastete Verhältnis der beiden Parteien zueinander und gipfelt schließlich in dem bereits genannten „storming of the Capitol“ durch einen wütenden Mob von Trump-Anhängern. Trotz dieses Bruchs demokratischer Werte bekennen sich noch immer 40% der Republikaner als loyal gegenüber Donald Trump und dessen Ideologien. „Unlike Trump, Biden is no great inspirational figure, he is just an unpopular ‘caretaker president’”, so Hünemörders Erklärung für dieses Paradoxon. Es ist kein Geheimnis, dass ein Großteil der Amerikaner von Trumps Nachfolger nicht besonders angetan ist. Man wirft der Biden administration vor, sie habe sich nicht um eine Reform des Wahlrechts bemüht und sich auch nicht anderen „pressing issues“ wie immigration oder gun control angenommen. Vor große Herausforderungen stellt die Biden-Regierung der Russland-Ukraine-Krieg, der die Welt zurzeit in Atem hält, sowie die anhaltend hohe Inflation. Biden, der Trumps „America First“-Ideologie ablehnt, folge laut Hünemörder einer „Cold war logic“, die unter anderem Sanktionen für Russland und die Unterstützung der Ukraine durch Waffen- und Geldlieferungen vonseiten der USA vorsieht.
Bei all den Herausforderungen, mit denen der Präsident aktuell zu kämpfen hat, rücken diverse Verdienste wie die erfolgreiche Umsetzung des „American Rescue Plan Act“ und des „Inflation Reduction Act“ im Zuge von Bidens „anti-climate change program“ zunehmend in den Hintergrund.
Einen weiteren „dividing factor“ sieht Hünemörder in dem seit Juni 2022 in einigen Staaten geltende gesetzliche Verbot der Abtreibung, welches durch ein Urteil des höchsten Gerichts der USA möglich wurde, indem ein Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht („Roe versus Wade“) zurückgenommen wurde. Hünemörder beschreibt die USA in diesem Zusammenhang als „patchwork“, als Flickenteppich, da ein mögliches Verbot oder eine Legitimation der Abtreibung keine landesweite Gültigkeit besitze und somit im Ermessen der einzelnen Bundesstaaten liege.
To put it in a nutshell: Obgleich böse Zungen Joe Biden hinter vorgehaltener Hand als passiv und altersschwach kritisieren, so ist etwa die Zusammensetzung des aktuellen Kabinetts, das sich an einer hohen Frauenquote und Diversität erfreut, sein Verdienst. Das politisch gespaltene Amerika erneut zu vereinen und der voranschreitenden Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken – das ist schlussendlich die wohl größte Hürde, die es zu meistern gilt.
Ein besonders großes Dankeschön richtet sich zuletzt an Dr. Markus Hünemörder, der erneut den langen Weg von München bis nach Elsenfeld auf sich genommen hat, um die Oberstufe des JEG bezüglich Amerika ein weiteres Mal umfangreich upzudaten und im Anschluss geduldig die Fragen der Schüler*innen zu beantworten.
Sabrina Ball