Schule als sozialer Ort
Das Julius-Echter-Gymnasium
Ort des Lernens. Ort des Lehrens. Ort der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.
„Non scolae, sed vitae discimus.“ Diese Sentenz wird immer dann bemüht, wenn es um die Anforderungen an die Institution Schule geht. Doch halt! Eigentlich hat Seneca genau das Gegenteil gesagt, also „Nicht für das Leben, für die Schule lernen wir“, wie in seinen „Briefen an Lucilius“ nachzulesen ist. Was also stimmt denn nun? Im Folgenden soll versucht werden, anhand von fünf Leitfragen zu (er)klären, wie es um das Selbstverständnis unserer Schulfamilie am Julius-Echter-Gymnasium bestellt ist.
Wo können Kinder und Jugendliche in der Schule mitbestimmen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten und schulische Gremien der Mitbestimmung für unsere Schülerinnen und Schüler; wir bereiten hier ganz gezielt auf das Leben in einer demokratischen Gesellschaft vor: Schule, das ist heute keine Einbahnstraße mehr: Die Schülerinnen und Schüler bestimmen ganz konkret auch im Unterricht mit, und zwar von der Wahl ihrer AGs über die freiwillige Teilnahme an Projekten bis hin zu diskursiven Gesprächen mit der Lehrkraft auf Augenhöhe z. B. während Gruppenarbeiten oder im Rahmen einer politischen Diskussion im PuG-Unterricht.
In den sogenannten „Zeit für uns“-Stunden (ZfU), die regelmäßig über das Schuljahr verteilt in jeder Klasse stattfinden, werden Aktionen der Klasse geplant, Probleme besprochen und gelöst – und zwar ohne die Hilfe einer Lehrkraft.
Besonders wichtig: Die Wahl der Klassensprecherinnen und Klassensprecher als Vertreter der Belange der Klasse gegenüber Lehrkräften und Schulleitung. Sie regen auch, wenn man so will, basisdemokratische Prozesse an, und sei es auch nur die Einigung auf ein Ziel für den nächsten Wandertag.
Eine herausragende Rolle für die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler am JEG kommt der Schülermitverantwortung (SMV) zu: Als ebenfalls gewähltes Gremium sind die aus ihnen hervorgehenden Schülersprecher bzw. -sprecherinnen die „höchsten“ Vertreter der Lernenden am JEG und Motor der Schulentwicklung. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die gelungenen Aktionen rund um die Schul-T-Shirts in den vergangenen Jahren.
Wie fördert Schule soziale Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern?
Zuerst einmal ganz konkret durch gemeinsame Aktionen, durch viele verschiedene Schulprojekte, Praktika und nicht zuletzt durch vielgestaltige Partizipationsangebote, z. B. bei der SMV.
Ein am JEG seit Jahren sehr erfolgreiches Programm, welches die bayerische Staatsregierung im Rahmen der Aktion „Gemeinsam. Brücken. Bauen“ aufgelegt hat, heißt „Schüler helfen Schülern“. Dabei handelt es sich um staatlich finanzierte Nachhilfe für Schüler durch andere Schüler, völlig in Eigenregie und sozusagen eine Win-Win-Situation: Die Nachhilfeschüler müssen kein teures Nachhilfeinstitut bezahlen, die unterrichtenden Schüler bekommen Geld und ganz viel Lebenserfahrung.
Schule als sozialer Ort vermittelt immer auch Gemeinschaftserlebnisse: Der Begriff der „Schulfamilie“ passt hier ganz gut, denn man kann sich seine Klassenkameraden und seine Lehrer schließlich nicht aussuchen, aber man muss sich mit ihnen arrangieren. Wie das geht? In vielfältigen sozialen Interaktionen lernen die Schülerinnen und Schüler sich als Teil einer Gruppe bzw. der Gesellschaft zu begreifen und anfallende Konflikte einvernehmlich zu lösen. Schule ist in diesem Sinne auch „betreutes Freundetreffen“, so ein Schüler des JEG. Schule hat aber noch eine weitere Aufgabe: Als Trockenübungsplatz für das richtige Leben kommt dem sozialen Handeln in der Schule die wichtige Funktion einer sozusagen propädeutischen Vorbereitung auf die „raue“ Welt der Erwachsenen zu. Nicht zu vergessen auch, dass die Schule – neben Eltern, Familie und Freunden – eine entscheidende Sozialisationsinstanz darstellt; Werte und Normen unserer Gesellschaft werden hier vermittelt und eingeübt.
Wieviel Erziehung steckt im Lehrerberuf?
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Zur Erziehung eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf.“ Wenn ein Lehrer am Gymnasium denkt, es komme nur auf Fachliches an, so irrt er hier also gewaltig. In diesem Zusammenhang muss man leider darauf hinweisen, dass es angesichts der dramatisch angestiegenen Zahlen psychisch hoch belasteter junger Menschen in unseren Schulen nicht nachzuvollziehen ist, warum die Gymnasien von den Förderrichtlinien des Sozialministeriums für die Jugendsozialarbeit an Schulen (JAS) ausgenommen sind. Jugendsozialarbeiter als Unterstützung unserer Erziehungsarbeit wären auch an einem Gymnasium wie dem JEG wünschenswert. Lehrer können das nicht allein stemmen, so engagiert sie auch sein mögen.
Erziehung hat immer auch mit Beziehung zu tun; das versteht sich quasi von selbst. Unser soziales Miteinander ist demzufolge geprägt von Ehrlichkeit, Respekt und Vertrauen, wie es auch in den Leitlinien unserer Schule nachzulesen ist. Kurz gesagt: Die Lehrkraft dient natürlich als Rollenvorbild, wenn auch bisweilen unbewusst: Man darf nämlich die Tatsache nicht unterschätzen, dass Schülerinnen und Schüler ihre Lehrkräfte – zumindest unter der Woche – häufiger sehen als ihre Eltern.
Was wünscht sich die Schulleitung von den Eltern?
Offenheit, Interesse, Unterstützung der Kinder, Kooperation.
Statistiken zeigen, dass der Anteil der unzufriedenen Eltern leider zunimmt. Es werden hohe Erwartungen an die Schulen gestellt. Gleichzeitig ist die Angst vor immer schwieriger werdenden Kindern und deren Eltern einer der Gründe, warum immer weniger junge Menschen ein Lehramtsstudium ins Auge fassen. Deswegen unser Wunsch am JEG: Eine Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule, die beiden Seiten Gerechtigkeit widerfahren lässt, indem die jeweiligen Sorgen und Nöte als berechtigt wahr und ernst genommen werden. Ein gelingender Dialog ist immer auch ein Prozess: Miteinander statt übereinander sprechen, lautet die Devise. Dabei kommt der Schulleitung u. a. die Rolle des Erklärens und Vermittelns zu.
Fazit: Ohne eine gelingende Zusammenarbeit mit den Eltern wird Schule die aktuellen und kommenden Krisen nur schwer bewältigen können.
Was sorgt für gute Stimmung in der Schule?
Ganz klar ein aktives Schulleben – wie wir es nach der Corona-Pandemie wieder erleben dürfen. Dazu gehören Schüleraustausche, Fasching, Projekte, Schulfeste, unser traditioneller Weihnachtsabend … – einfach das gemeinsame Erleben.
Gut gelaunte und motivierte Lehrkräfte leisten täglich Enormes, um unseren Schülerinnen und Schülern Normalität, Sicherheit, Freude am Lernen und am Miteinander in der Schule zu ermöglichen. Wenn wir Lehrerinnen und Lehrer mit unseren Schülerinnen und Schülern ins Gespräch kommen oder uns gegenseitig grüßen, anlächeln, mit Respekt begegnen, dann wissen wir doch immer wieder, wofür wir das alles tun. Jeden Tag bewusst das Positive zu sehen und sich nicht von negativen Aussichten herunterziehen zu lassen, das ist die große Kunst in diesen krisenreichen Zeiten.
Am Schluss seien die „Zauberwörter“ verraten, mit denen wir hoffentlich das Julius-Echter-Gymnasium in einen Ort des Lernens und Lehrens, aber vor allem in einen Ort der Entfaltung der Potentiale jeder Schülerin bzw. jedes Schülers verwandeln. Sie lauten: Offene Türen, Interesse, Gesprächsbereitschaft und Respekt im Umgang miteinander.
Petra Hein
Methodentage
Methoden- und Intensivierungstage am Julius-Echter-Gymnasium
Endlich mal Zeit, sich für Themen Zeit zu nehmen, die mehr Zeit als die Unterrichtszeit brauchen! Statt sturem 45-Minuten-Takt und einer Aneinanderreihung von Fächern, denen auf den letzten Metern mit zunehmender Unlust begegnet wird, bieten die letzten Unterrichtstage die Möglichkeit, sich intensiv mit Themen des Alltags, der Umwelt, der Selbstreflexion, des Konsums und der Politik auseinanderzusetzen. Statt Absitzen der Stunden, statt sechs Stunden Netflix und Tischfußball ergeben sich Möglichkeiten zur Begegnung mit Experten, Kennern und Könnern. Die Schulzeit wird vielfältig und vielseitig, lebensnah und (schul-)alltagstauglich genutzt:
- Zeit zum Üben: Ob zur Vorbereitung der Jahrgangsstufentests, zum Wiederholen von grundlegendem Wissen oder zum Einüben wichtiger Fertigkeiten, werden ohne Notendruck Inhalte des Schuljahres gefestigt.
- Zeit zum gemeinsamen Lernen: Sei es in der gemeinsamen Lesezeit oder bei der Bewältigung der Challenge, ein rohes Ei aus dem Fenster zu werfen, ohne dass es zerbricht – Teamarbeit ist gefragt!
- Zeit für sich, sein Bauch- und Körpergefühl und sein Selbstmanagement: Während das P-Seminar von Frau Dr. Strubel mit den 7. Klassen Stress bewältigt und Frau Hellwig und Frau Racek mit ihnen das eigene Körper- und Selbstwertgefühl erforschen, legen die Fünftklässler ihr Schwimmabzeichen ab oder befassen sich mit ausgewogener Ernährung. Unterstützung im Selbstmanagement gibt es auch für die angehenden Abiturienten der Q11 durch Crashkurse in Selbstorganisation und Word für Anfänger.
- Weniger Zeit, sich von anderen beeinflussen zu lassen: Im Rahmen des Medienführerscheins befassen sich die 6. Klassen mit den Inszenierungsstrategien von Influencern, während die 7. Jahrgangsstufe testet, ob sie „online am Limit“ läuft.
- Zeit über das eigene Konsumverhalten nachzudenken: In einem umfassenden Projekt der Fachschaft Geografie recherchieren, präsentieren und reflektieren die Achtklässler über die Herstellung, den Transport und die Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Smartphones und Kleidung und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.
- Zeit um zu lernen, anderen in Notsituationen zu helfen und sie nicht in Not zu bringen: Während die Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe zwei Tage einen vertieften Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, frischen die Q11er ihre Kenntnisse zur Herz-Lungen-Wiederbelebung auf und lernen mit der Unterstützung von Polizeioberkommissar Fischer die Gefahren und Konsequenzen von Drogenkonsum im Straßenverkehr kennen.
- Zeit aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen: Mit dem Film „Gundermann“ erfahren die Zehner und Elfer, dass Geschichte nicht schwarz-weiß ist, dass autoritäre Regime nicht nur Täter und Opfer, sondern vor allem gebrochene Biographien hervorbringen.
- Zeit für die Welt und die eigenen Erlebnisse: Während die 7. Klassen zum einen in der kreativen Erstellung eines Reisetagebuches die Fahrt nach Borkum noch einmal aufleben lassen, erfahren sie zum anderen spielerisch, wie unfair und ungleich die Verteilung der Ressourcen und des Besitzes auf der Welt ist und entwickeln Lösungsstrategien für einen eigenen verantwortungsbewussten Umgang mit Konsum und Klima.
- Zeit, Profil zu zeigen und Werte zu vertreten: Auf der Suche nach Hidden Codes im Netz unterstützen die Referenten der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus die Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe, indem sie mit ihnen Ursachen, Formen und Ausprägungen von Rechtsextremismus besprechen. Die Sozialkundekurse der Q11 lernen parallel dazu Profil zu zeigen und sich für die Demokratie stark zu machen.
- Zeit, die eigene Zukunft zu planen und Alltagskompetenzen zu entwickeln: Ob nun beim Ausfüllen einer Steuererklärung, bei der ersten Wohnungssuche oder im Umgang mit dem ersten Verdienst, der Zukunftstag steht dem Vorwurf entgegen, in der Schule lerne man nichts fürs Leben. Expertinnen und Experten erläutern, beraten und unterstützen die 11. Klassen bei wichtigen Alltagsthemen, die nach dem Abitur auf sie warten. Die Q11 rechnet inzwischen ihre Abiturnoten aus und setzt Ziele für das nächste Schuljahr, unter anderem auch die Gestaltung und Finanzierung ihres Abiballs.
Ein Absitzen der letzten Stunden bis zur Zeugnisvergabe gibt es am JEG nicht, die Stunden bis zum letzten Gong des Schuljahres sind keine vergeudete Zeit, sondern helfen, die Zeit eines jeden Schülers und jeder Schülerin sinnvoll und gewinnbringend zu gestalten. Selbst schuld, wenn man das verpasst!
Ingenbleek, Pfefferer