„Schaut, was im EU-Parlament geht!“ – EU-Abgeordneter Malte Gallée am JEG

Viele Jugendlichen denken bei Politik vor allem an Eines: Alte Männer ohne Verständnis für die Anliegen jüngerer Menschen dozieren von oben herab. Mit diesem Vorwurf räumte Malte Gallée, als Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen im EU-Parlament, gründlich auf. Denn die Europa-AG des Julius Echter Gymnasiums Elsenfeld hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen und das aktuell jüngste deutsche Parlamentsmitglied am 21. Juni in die Aula der Schule geladen.
Seit 2021 sitzt Gallée im EU Parlament und nun auf dem Podium, um sich den Fragen der drei Moderatorinnen Angelina Treptau (9 C), Ayse Rana Circi (9 B) und Lea-Sophie Reinhardt von den „Jungen Europäischen Föderalist:innen“ zu stellen. Vermittelt hatte das Gespräch die Europaunion Aschaffenburg.
Los ging es mit einer Schnellfragerunde. Nach längerem Überlegen charakterisierte sich Gallée lachend als spontan und schnell, was im Publikum sofort für Heiterkeit sorgte. Bereits hier wurde die große Stärke Gallées, der lieber Malte genannt werden will, offensichtlich: Seine unkomplizierte, frische Art, mit der er die Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen und der 10 E von Beginn an für sich einnahm. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung war dies ebenfalls deutlich zu spüren; dadurch gelang es ihm, komplexe Politikbereiche einfach und verständlich zu machen.
Kreislaufwirtschaft statt Müllproduktion
Danach wurde Gallée nach seinem Weg in die Politik befragt. Auslöser seines politischen Engagements war die Reaktorkatastrophe 2011 in Fukushima, die ihn für Umwelthemen sensibilisierte. Auf die Frage, was heute seine erste Aktion am Handy gewesen sei, antwortete Gallée, dass er seine Freundin angerufen habe, was wiederum bei den Zuhörerinnen gut ankam. Bei seinem Vollzeitjob als Politiker bleibe wenig Zeit für Freundinnen und Freunde, wie der Abgeordnete zu seinem Bedauern zugeben muss. Anschließend sollte Malte Gallée sein politisches Hauptanliegen vorstellen. Sein Ziel ist, dass Gegenstände nicht zu Müll werden, indem er den linearen Prozess in einen Kreislauf verwandelt. Er glaubt, dass die Klimakrise die Existenz menschlichen Lebens bedroht und dass wir keine andere Wahl haben, als nachhaltig zu wirtschaften und Rohstoffe so lange im Wertschöpfungskreislauf zu erhalten wie nur möglich.
Den nächsten Themenblock, Verbraucher- und Klimaschutz, moderierte Rana. Neben dem Problem der Eindämmung von Online-Glücksspielen, deren wirksame Bekämpfung durch die EU sich laut Gallée schwierig gestalte, war ein Schwerpunkt die „geplante Obsoleszenz“, also die absichtliche Herabminderung der Haltbarkeit von Geräten durch die Industrie. Hier geriet Gallée sichtlich in Fahrt und warf den europäischen Firmen vor, sich mit Ökosiegeln eigener Kreation zu schmücken, um deren Tauglichkeit es aber meist schlecht bestellt sei. Im Rahmen des European Green Deal der EU-Kommission werde dem durch die geplante Vorabzertifizierung der Ökolabel der Schummelei bald ein Riegel vorgeschoben.
Auch im Hinblick auf den CO2-Emissionshandel fand Gallée deutliche Worte. Der Markt könne das Klima nicht allein retten, Regulatorien seien nötig, um soziale Gerechtigkeit herzustellen und vor allem ärmere Haushalte zu entlasten. Die Pariser Klimakonvention von 2015 sieht der Grünen-Politiker deswegen kritisch, denn um die Klimaziele zu erreichen, müsste die EU ärmeren Ländern des globalen Südens massiv helfen, und zwar viel mehr als bisher.
„Das Recht auf Asyl darf nicht negiert werden“
Den letzten Themenblock gestaltete dann Lea-Sophie. Nach dem Asylkompromiss der EU befragt, machte Gallée deutlich, dass für ihn die Menschenrechte nicht an den EU-Außengrenzen aufhören. „Das Recht auf Asyl darf nicht negiert werden“, so sein Credo. Man begehe einen großen Fehler, Migranten durch das restriktive Aufnahmeverfahren in die Illegalität zu treiben. Das größte Gut Europas ist schließlich die Gewährleistung der Freiheit des Individuums. Damit sich die Einwohner auch mit der EU stärker identifizieren können, müssen sie sich noch besser kennenlernen. Deswegen findet Gallée die schulischen Austauschprogramme auch so wichtig; hier wächst Europa im Kleinen zusammen, was große Wirkungen nach sich zieht. Zuletzt ging es um die Jugendbeteiligung: 2024 dürfen erstmals in Europa alle Jugendlichen ab 16 Jahren das EU-Parlament wählen. Fast schon selbstverständlich, dass der knapp 30jährige Gallée darin eine große Errungenschaft sieht. „Schaut, was im EU-Parlament geht!“, so seine Aufforderung an die vielen Erstwählerinnen und -wähler im Publikum. Die politische Reife hätten Jugendliche allemal.
In der abschließenden Fragerunde wollten die Schülerinnen und Schüler u. a. wissen, was er von E-Fuels halte, wie groß er die von KI ausgehende Gefahr einschätze und was er tun würde, wenn er für einen Tag über die EU bestimmen könnte. „Ich würde sofort alle Außengrenzen abschaffen, denn eine Welt ohne Migrationsgrenzen ist eine bessere Welt“, so seine spontane Antwort.
Malte Gallée, ein Nachwuchspolitiker, der sich nicht zu fein ist, offen und auf Augenhöhe mit den Schülerinnen und Schülern zu kommunizieren. Wenn das mal nicht gelungene Politikvermittlung ist!
Thum


