Literaturquartett 2011
Von Muscheln, Schiffen, Klassikern und Fremden
Das Literaturquartett 2011 am JEG mit Robert Löhr
In alter Tradition fanden sich am 1. März 2011 über 100 Schülerinnen und Schüler der Q11 im Hilde-Domin-Saal ein, um im Rahmen des Literaturquartetts am JEG über drei literarische Werke und – ein Novum in diesem Jahr – über einen Film zu diskutieren.
Zur Diskussion standen in diesem Jahr der Film „Die Fremde“ sowie die Erzählung „Das Muschelessen“ von Birgit Vanderbeke, die Novelle „Im Krebsgang“ von Günter Grass und der Historische Roman „Das Erlkönig-Manöver“ von Robert Löhr, der extra aus Berlin angereist war, um mitzuerleben, wie die Schülerinnen und Schüler über sein Werk diskutieren würden, und ihnen eine Kostprobe aus seinem dritten Roman, „Das Hamlet-Komplott“, zu geben.

Laura Becker, Annika Haus, Jana Roos, Vera Schreck und Susanne Weis bildeten den Auftakt und diskutierten über die Erzählung „Das Muschelessen“ von Birgit Vanderbeke, wobei sich einige Kontroversen ergaben. Empfanden die einen Vanderbekes endlose Schachtelsätze geradezu als Zumutung, sahen die anderen eben darin den besonderen sprachlichen Reiz des Textes. Und hat die Autorin nun ihre 18-jährige Hauptfigur absichtlich so naiv gezeichnet, dass diese eher wie eine 14-jährige wirkt, oder war sie schlicht nicht in der Lage, sich wirklich in eine 18-Jährige hineinzuversetzen, um ein passendes Sprach- und Gedankenniveau zu treffen? Auch der offene Schluss der Erzählung rief keine Einigkeit hervor. Der Traum so vieler Deutschlehrer, kann man so doch zum Beispiel die Erzählung weitererzählen lassen, stieß bei den Schülerinnen und Schülern eher auf Ablehnung: sie hätten mehrheitlich lieber klare Fakten am Ende der Erzählung gesehen.
Im Anschluss befassten sich Nikolai Gallina, Janis Jung, Nina Schreiber, Timo Volz und Lena Weinkauf mit der von den professionellen Kritikern hoch gelobten Novelle „Im Krebsgang“ von Günter Grass. Auch sie sahen in der Novelle eine literarisch anspruchsvolle und gelungene Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart, mit dem Untergang der Gustloff gegen Ende des 2. Weltkrieges, bis heute die größte Katastrophe der Seefahrt, und der Problematik des Neonazismus in der heutigen Gesellschaft. Gerade bei diesem schwierigen Text zeigte sich einmal mehr, welchen Gewinn eine freie Auseinandersetzung mit Literatur, fernab von regulären Unterrichtsmethoden, bringen kann.




Im Anschluss an die Lesung nahm sich Robert Löhr noch bereitwillig Zeit, zwei Schülerinnen der Q11 ein Interview für ihre Abiturzeitung zu geben. An dieser Stelle sei ihm von allen Beteiligten für seinen großen Beitrag zu einem gelungenen Literaturquartett am JEG herzlich gedankt.
Nach der Mittagspause traf man sich zunächst in kleineren Gruppen wieder, um den Film „Die Fremde“ zu schauen und anschließend wieder in großer Runde über ihn zu diskutieren. Man merkte allen Beteiligten an, wie sehr das tragische Ende des Films auf sie gewirkt hatte, und so entwickelte sich eine durchaus emotionale Diskussion, die sich um die Problematik des Ehrenmords an sich und um dessen Darstellung im Film drehte, aber auch um den Mut der jungen türkischen Mutter, gespielt von Sibel Kekilli, sich gegen Konventionen und Bedrohungen der eigenen Familie zu wehren. Gerade der tragische Tod ihres Sohnes, versehentlich statt ihrer selbst von ihrem Bruder erstochen, rief sehr unterschiedliche Reaktionen hervor: Während einige der Ansicht waren, dies hätte nicht sein müssen und wäre entweder zu hart oder drücke zu sehr auf die Tränendrüse, konterten andere, dass nur durch dieses Unglück die ganze tragische Sinnlosigkeit des Ehrenmordes, die der Film ja schließlich vermitteln wolle, deutlich werde.
Am Ende eines erkenntnisreichen Tages blieb den beteiligten Lehrkräften – Daniela Racek, Jan Hendrik Schmidt, Michael Schmidt und Dr. Bertram Söller – nur noch eines zu tun übrig: sich bei allen Schülerinnen und Schülern der Q11 herzlich für ihr Engagement zu bedanken, durch das auch dieses Jahr das Literaturquartett am JEG ein voller Erfolg war.
Zum Autor:
Robert Löhr, geboren am 17.1.1973 in Berlin, arbeitet als Schriftsteller und Autor für Film, Fernsehen und Bühne – und nebenher als Regisseur, Schauspieler und Puppenspieler. Aufgewachsen ist er in Berlin, Bremen und Santa Barbara (USA). Er lebt in Berlin.
www.robert-loehr.de
Autorenecho von Robert Löhr

Ich wünsche dem JEG, dass auch weiterhin Autoren zum direkten Gespräch eingeladen werden – auch, damit Schüler begreifen, dass Schriftsteller sich zwar oft wie etwas Besonderes benehmen (und ebenso hofiert werden), letzten Endes aber nichts Besonderes sind. Für mich ist die Schriftstellerei auch nur ein Handwerk – ein Kunsthandwerk, wenn man so will.“
Bücher von Robert Löhr:
Der Schachautomat. Roman über den brillantesten Betrug des 18. Jahrhunderts. Roman, 416 Seiten, Piper-Verlag. Gebunden: € 19,90, ISBN 3492047963, broschiert: € 8,95, ISBN 3492248683, Audio-CDs: € 23,95, ISBN 3898135543.Das Erlkönig-Manöver. Roman, 356 Seiten, Piper-Verlag. Gebunden: € 19,90, ISBN 3492049290, broschiert: € 8,95, ISBN 3492252680, Audio-CDs: € 29,99, ISBN 3886989356.
Das Hamlet-Komplott. Roman, 368 Seiten, Piper-Verlag. Gebunden: € 19,95, ISBN 3492053270, broschiert: € 9,95, ISBN 3492272088.